Resümee
der Anwälte von Abdullah Öcalan vom 30.04.1999
In einem Istanbuler Hotel gaben die Rächtsanwältinnen
und Rechtsanwälte Abdullah Öcalans gestern eine Pressekonferenz,
auf der ein Resümee ihrer Verteidigertätigkeit vom Haftbeginn
Abdullah Öcalans bis zu den jüngsten körperlichen
Angriffen der Polizei während und nach der Gerichtsverhandlung
am 30. April in Ankara zogen.
Ahmet Zeki Okcuoglu fasste nochmals die vielfältigen Verstöße
gegen geltendes türkisches Recht zusammen, die trotz umfangreicher
Anträge und Beschwerden der Anwältinnen und Anwälte
bei verschiedensten staatlichen Stellen unvermindet andauern:
• Sämtliche
Details aus dem Untersuchungsverfahren sowie die Anklageschrift
sind unter Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht an die
Presse lanciert worden, ohne daß rechtliche Schritte gegen
die Staatsanwälte unternommen worden wären.
• Entgegen der - auch nach türkischem Recht geltenden
- Unschuldsvermutung wird Abdullah Öcalan von Regierung,
politischen Parteien und Medien in einer derartig massiven Vorverurteilungskampagne
als "Babymörder" und "Separatistenhauptmann"
diffamiert, daß kein Richter es wagen könne, etwas
anderes als die Todesstrafe auszusprechen.
• Öcalan befindet sich seit über zwei Monaten
in Isolationshaft auf einer Insel. Obwohl dieses Gefängnis
nach dem Gesetz dem Justizministerium unterstehen müßte,
befindet sich der Vernehmungsbereich unter der Kontrolle des Generalstabes.
• Bei allen der auch sonst stark behinderten Verteidigergespräche
sind 1 oder 2 Soldaten zur Überwachung aus nächster
Nähe anwesend.
• Dagegen ist es den Anwältinnen und Anwälten
untersagt, bei den Verteidigergesprächen Stifte, Papier oder
irgendwelche Prozeßunterlagen mit sich zu führen oder
zu benutzen. Noch immer erhält Abdullah Öcalan weder
Zeitungen noch ist es ihm gestattet, Radio oder Fernsehen zu benutzen.
• Am 30 April wurden die Anwältinnen und Anwälte
im Anschluß an eine Gerichtsverhandlung durch uniformierte
Polizisten geschlagen und verletzt.
Okcuoglu erinnerte daran, daß es in der Justiz nicht um
Rache oder Haß gehen dürfe. Der Prozeß müsse
zur Versöhnung zwischen zwei Völkern dienen, die Anwältinnen
und Anwälte wollten "nicht nur Abdullah Öcalan,
sondern auch den Frieden und die Gerechtigkeit verteidigen".
Schließlich
betonten die Anwältinnen und Anwälte, sie hätten
keine andere Wahl als die Niederlegung ihres Mandats, wenn grundlegende
rechtliche Bedingungen nicht vor Beginn des Hauptverfahrens erfüllt
seien. So müßten die Empfehlungen des Komitees zur
Verhinderung von Folter des Europarates und die einstweiligen
Verfügungen des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte berücksichtigt werden. Verteidigergespräche
müßten ungehindert stattfinden und Gerichtsverhandlungen
dürften nicht zu "Lynchdemonstrationen" umfunktioniert
werden.
Rechtsanwalt
Hasip Kaplan stellte kurz das Verfahren vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg dar, das
aufgrund der Nichtbeantwortung aller Versuche auf dem inländischen
Rechtsweg schnell zu "einstweiligen Verfügungen"
geführt habe. Bis zum 30. Juni müsse die Türkei
dem Gericht Auskunft über die Rechtsverletzungen seit der
Verhaftung Öcalans in Kenya geben, wodurch parallel zum Prozeß
auf Imrali ein Prozeß in Straßburg stattfinden werde.
Weitere Schritte der Anwältinnen und Anwälte vor internationalen
rechtsprechenden Körperschaften würden laut RA. Kaplan
bald folgen.