Internationale Initiative
Freiheit für Ocalan – Frieden in Kurdistan
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14. Februar 2010

Zeit für den Dialog!
‬Für eine gemeinsame Perspektive von Türken und Kurden!‭

Erklärung anlässlich des 11. Jahrestages der Entführung Abdullah Öcalans

Hollywood selbst hätte das Drehbuch nicht besser schreiben können. Eine Aufsehen erregende Hetzjagd, Geheimdienstintrigen, Politiker ohne jegliche Moral, Verschwörung, Bruch des Völkerrechts, Verrat, Heuchelei, Kriegsgewinnler, eine drohende Kriegskulisse, lukrative Geschäftsabschlüsse und Börsengewinne – all das bietet die illegale Verschleppung Abdullah Öcalans, die sich am 15. Februar 1999 in Nairobi zugetragen hat.

Die Entführung des Kurdenführers aus Kenia in die Türkei war der vorläufige Höhepunkt eines Ränkespiels, das angelehnt an der Version der USA von einem „demokratischen Mittleren Osten“, in der die kurdischen Emanzipationsbestrebungen keinen Platz hatten, in einen eklatanten Bruch des Völkerrechts mündete. Vorausgegangen war eine wochenlange Odyssee zwischen Damaskus,‭ ‬Moskau,‭ ‬Athen,‭ ‬Rom und Amsterdam,‭ ‬die am‭ ‬15.‭ ‬Februar‭ ‬1999‭ ‬mit einem kriminellen Piratenakt ihr Ende fand‭ – ‬unter maßgeblicher Beteiligung von CIA,‭ ‬MIT und Mossad,‭ ‬mit der Unterstützung Russlands,‭ ‬Griechenlands und anderer europäischer Staaten.‭

Öcalan war nach Europa gekommen, um für eine politische Lösung des blutigen türkisch-kurdischen Konfliktes zu werben; im Bewusstsein, dass dieser mit militärischen Mitteln nicht lösbar ist. Die anfänglichen Hoffnungen, dass Bewegung in die festgefahrene Situation kommen könnte, dass führende europäische Staaten gemeinsam die Initiative zur Lösung der kurdischen Frage ergreifen könnten, wurden schnell enttäuscht. Unter dem Druck der USA schlossen sich die Türen; kein Land erklärte sich bereit, den Kurdenführer aufzunehmen. Wie schon so oft wurden die Kurden den wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen des Westens geopfert.

Trotz alledem beharren die Kurden weiterhin auf ihre politischen und kulturellen Rechten, wider das Bestreben sie mundtot zu machen. Demgegenüber setzt die Türkei nach wie vor auf eine militärische Lösung, im Windschatten von Reformen, die, nur auf dem Papier, den Namen nicht verdienen. Das Sterben geht weiter, türkische Soldaten und kurdische Guerilleros verlieren auch heute ihr Leben. Die Menschenrechtslage in der Türkei bleibt weiterhin angespannt.

Es ist allein Abdullah Öcalan geschuldet, dass seine Verschleppung nicht zum Auftakt einer Ethnisierung des türkisch-kurdischen Konflikts wurde. Statt auf Eskalation zu setzen, intensivierte er seine Friedensbemühungen. Er rief die kurdischen Rebellen zur einseitigen Beendigung des Krieges auf.‭ ‬Gleichzeitig verband er dies mit der Forderung nach Anerkennung kultureller und sprachlicher Rechte für die Kurden,‭ die im Rahmen der Demokratisierung der Türkei erreichbar schien.‭ ‬Mit dem Rückzug der kurdischen Guerillaeinheiten aus dem Territorium der Türkei entspannte sich die Situation.‭ ‬Doch Regierung und Militärs ließen die Gelegenheit zum Frieden ungenutzt verstreichen.‭ ‬

Heute stehen sich kurdische Rebellenverbände und türkisches Militär wieder in den kurdischen Gebieten der Türkei gegenüber. Eine fragile Feuerpause und der harte Winter verhindern, dass der schwelende Konflikt eskaliert. Das innenpolitische Klima in der Türkei lässt jedoch befürchten, dass mit der Schneeschmelze wieder überwiegend die Waffen sprechen werden.

Das Verbot der pro-kurdischen Partei DTP und die Verhaftung von Tausenden Mitgliedern und Funktionären auch der Nachfolgepartei BDP haben ein Klima geschaffen, in dem den Kurden die politische Artikulation ihrer Anliegen kaum noch möglich ist. Während die Erdogan-Regierung von demokratischen Reformen spricht, lässt sie gewählte Volksvertreter inhaftieren, Bürgermeister absetzen und selbst Kinder zu langjährigen Haftstrafen verurteilen. Auch wenn die AKP sich im Konflikt mit der Armeeführung und der nationalistischen Opposition befindet, in der kurdischen Frage zieht sie am selben Strang. Sie verabschiedet die Gesetze, auf deren Grundlage kurdische Politiker und Aktivisten verfolgt werden. Sie unternimmt alles, sich den Machterhalt zu sichern. Eine Schwalbe machte eben keinen Sommer, begrenzte Zugeständnisse lösen nicht die kurdische Frage.

Eine solche Lösung ist nur im Dialog möglich. Hierfür bedarf es Ansprechpartner. Mit einer Stellvertreterpolitik im autokratischen Stil – wie sie die AKP-Regierung betreibt –, die sämtliche Ansprechpartner negiert, wird die festgefahrene Situation nur weiter zementiert. Die kurdische Frage kann nur mit den Kurden gelöst werden, nicht gegen sie.

Das wissen die Verantwortlichen in Ankara nur zu gut, auch wenn sie fieberhaft versuchen, ihren Interessen genehme Ansprechpartner aufzubauen. Selbst das Apartheid-Regime in Südafrika musste einsehen, dass es an den legitimen Vertretern der Gegenseite nicht vorbei kommt. Die Freilassung Mandelas war nur der Schlusspunkt eines langen Prozesses. Dies wird im Fall Öcalan nicht anders sein.

Auch nach elf Jahren hat sich an der Stellung Öcalans innerhalb der kurdischen Gesellschaft nichts geändert. Auf ihn geht die Vision zurück, die kurdische Frage im Rahmen der Demokratisierung der Türkei zu lösen. Ihm ist es zu verdanken, dass die Eigendynamik eines bewaffneten Konflikts nicht über die Politik obsiegt hat. Mit konstruktiven Thesen und Vorschlägen hat er es verstanden, die kurdische Freiheitsbewegung auf eine realistische Lösungsperspektive auszurichten.

Die Politik des Machbaren bedarf moderater Ansprechpartner. Öcalan ist ein solcher Ansprechpartner. Er hat gezeigt, dass er zu weit gehender Flexibilität fähig ist, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Ein möglicher Friedensprozess braucht Akteure mit Visionen, ohne diese lassen sich festgefahrene Positionen nicht überwinden. Öcalan ist der Visionär, den der Friedensprozess in der Türkei braucht. Der direkte Dialog mit dem Kurdenführer ist, früher oder später, unausweichlich. Dafür bedarf es Mut und Beständigkeit, auch in der Türkei.

Ein erster Schritt wäre die die Aufhebung der Isolationshaftbedingungen, denen der Kurdenführer seit elf Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali ausgesetzt ist, und die Überführung Öcalans in einen „Hausarrest“, in dem ihm die Korrespondenz mit allen Akteuren im Konflikt gestattet ist. Nur so kann Abdullah Öcalan die Rolle ausfüllen, die er zu spielen fähig ist: als einer der Architekten einer friedlichen Lösung des Konflikts und einer gemeinsamen Perspektive von Türken und Kurden.

Dieses Ziel teilt die Internationale Initiative, hierfür setzen wir uns ein.