Internationale Initiative
Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan
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INTERNATIONAL INITIATIVE BRIEFINGS:
DOKUMENTATION:
"Deklaration des demokratischen Konföderalismus
Wir leben in einer Zeit, die für die Menschheit große
Entwicklungsmöglichkeiten und zugleich große Gefahren
birgt. Der Mittlere Osten durchlebt ein Chaos und Auseinandersetzungen,
welche auch als Dritter Weltkrieg bezeichnet werden.
Kurdistan befindet sich im Zentrum dieser Widersprüche und
Auseinandersetzungen. Obwohl die Bewahrer des alten politischen
Status Quo Widerstand leisten und die Mächte des globalen Kapitals
in diesem Chaos nach einem Ausweg in ihrem Interesse suchen, versuchen
die Völker, ihr demokratisches System in Freiheit zu entwickeln,
um dieses Chaos zu überwinden. Wir können zusammengefasst
folgendes feststellen:
1. Die agrikulturelle Revolution fand innerhalb des Ökosystems
des Zagros-Gebirges statt. Diese Revolution bildete für die
Menschheit bis ins 19. Jahrhundert die Lebensgrundlage. Anfang des
19. Jahrhunderts fand die industrielle Revolution statt. Diese war
die zweite große Revolution der Menschheitsgeschichte. Sie
spielte für die Herausbildung des Nationalstaates eine große
Rolle. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Nationalstaat zu
einem ernsthaften Hindernis für die gesellschaftliche Entwicklung
und für Demokratie und Freiheit.
2. Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen wurde als Recht auf
Staatsgründung interpretiert. Die Nationalstaaten, die infolge
dessen entstanden, stellen heute ein ernstes Hemmnis für die
weitere Entwicklung der Menschheit dar. Auch das heutige Modell
der Vereinten Nationen ist hierfür nicht geeignet, die Nationalstaaten
sind dafür ein Hindernis. Der Golfkrieg und die Situation im
Irak sind dafür ein klarer Beweis.
3. Statt der Globalisierung im Sinne der Nationalstaaten bietet
sich als Ausweg ein demokratisch-konföderales System an, dass
sich ausschließlich auf Basisorganisierung des Volkes stützt.
Denn in der Geschichte der Menschheit hat es den Staat nicht immer
gegeben, und auch der Nationalstaat wird nicht ewig Bestand haben.
Ohnehin wird dieser durch die Globalisierung in Frage gestellt.
Dem Imperialismus hingegen gelingt es nicht, ein neues Modell zu
entwickeln. Die Systemkrise verschärft sich weiter.
4. Als Alternative drängt sich die demokratische Konföderalismus
förmlich auf. Sein Organisierungsmodell gestaltet sich pyramidenförmig
von unten nach oben. Die Communities kommunizieren, diskutieren
und fällen Entscheidungen. Delegierte der Basis bilden nach
oben hin eine lockere Koordination. Die Delegierten erhalten ein
einjähriges Mandat des Volkes.
5. Auch für die Probleme des Mittleren Ostens stellt der demokratische
Konföderalismus ein Lösungsmodell dar. Das kapitalistische
System und dessen imperiale Kräfte schaffen keine Demokratie,
allenfalls benutzen sie die Demokratie. Deshalb kommt es darauf
an, der Option einer sich von der Basis her entwickelnden Demokratie
zum Durchbruch zu verhelfen. Der demokratische Konföderalismus
ist ein System, das ethnische, religiöse und klassenmäßige
Unterschiede in der Gesellschaft berücksichtigt.
6. Für Kurdistan konkretisiert sich der demokratische Konföderalismus
als eine Bewegung, die das Selbstbestimmungsrecht nicht als Recht
zur nationalistischen Staatsgründung auslegt, sondern ungeachtet
der politischen Grenzen eine authentische Demokratie anstrebt. In
einer zu schaffenden kurdischen Struktur bildet diese Bewegung Föderationen
in den kurdischen Gebieten des Irans, der Türkei, Syriens und
des Irak. Diese Föderationen bilden wiederum auf höherer
Ebene eine konföderale Struktur.
7. Die eigentliche Entscheidungskompetenz liegt bei den Dorf-,
Stadtteil- und Stadträten und ihren Delegierten, also beim
Volk und bei der Basis.
Diese oben angeführten grundsätzlichen Ausführungen
bezüglich der Weltlage, des Mittleren Ostens und Kurdistans
zeigen, dass sich die historische Aufgabe der Organisierung des
demokratischen Konföderalismus in Kurdistan nicht länger
aufschieben lässt. Daher ist es ein fortschrittlicher, befreiender
und begeisternder Schritt, an einem neuen Newroz mit dem Aufbau
des demokratischen Konföderalismus zu beginnen.
Der demokratische Konföderalismus Kurdistans ist kein Staatssystem,
sondern das demokratische, nichtstaatliche System des Volkes. Es
ist ein System, in dem alle Volksschichten, in erste Linie die Frauen
und die Jugend, ihre authentischen demokratischen Organisationen
gründen. Politik wird hierbei von freien und gleichberechtigten
Bürgern der Konföderation gestaltet, die regionale freie
Bürgerräte bestimmen. Dabei ist das Prinzip der eigenen
Stärke und der Subsistenz wesentlich. Ein solches System bezieht
seine Stärke aus dem Volk und ist bestrebt in jeglicher Hinsicht
eine weitgehende Selbstversorgung zu erreichen, was auch die Wirtschaft
mit einschließt.
Der demokratische Konföderalismus Kurdistans weiß sich
der Gesellschaftsgeschichte und dem kulturellen Reichtum Mesopotamiens
verbunden. Er stützt sich auf die demokratische kommunale Struktur
der natürlichen Gesellschaft. So zogen die Kurden
und ihre Vorfahren schon immer Klansysteme und einen Konföderalismus
der Volksstämme einem zentralstaatlichen Modell vor. Der demokratische
Konföderalismus stützt sich auf den Patriotismus des Volkes,
das freie Leben und die Erfahrung mit einer demokratischen Organisierung,
die die PKK in ihrem über 30jährigen Kampf in allen Bereichen,
vor allem in den Gefängnissen und in den Bergen, mit Tausenden
von Märtyrern geschaffen hat.
Der demokratische Konföderalismus zielt darauf ab, die Staaten
zu tief greifenden demokratischen Reformen zu bewegen. Von nun an
haben in Kurdistan drei Rechtssysteme Gültigkeit: Das EU-Recht,
das Recht des jeweiligen Einheitsstaates und das demokratisch-konföderale
Recht. Sofern die Einheitsstaaten Iran, Irak, Türkei und Syrien
das konföderale Recht des Volkes anerkennen, wird auch das
kurdische Volk deren Recht anerkennen, um auf dieser Grundlage Kompromisse
zu schließen.
Der demokratische Konföderalismus hat die Anerkennung, den
Schutz und die Artikulationsfreiheit aller kulturellen Existenzen
zum Prinzip. Daher betrachtet er die Gewährleistung einer demokratischen
Lösung der kurdischen Frage, die allgemeine Anerkennung der
kurdischen Identität und die Weiterentwicklung der kurdischen
Sprache und Kultur als seine Hauptaufgaben.
Der demokratische Konföderalismus orientiert sich an einem
ökologischen Gesellschaftsmodell. Er hat sich zum Prinzip gesetzt,
sich in vielfältiger Weise gegen die gesellschaftliche Unterdrückung
der Geschlechter zu stellen und diese durch den Freiheitskampf der
Frau zu überwinden. Er sieht den Aufbau einer Demokratie in
allen Bereichen der kurdischen Gesellschaft vor, die sich auf Ökologie
und Geschlechterfreiheit stützt, und er kämpft gegen jede
Art von Reaktion und Rückständigkeit. Er verbindet individuelle
Rechte und Freiheiten mit der Entwicklung gesellschaftlicher Demokratie.
Ein weiteres Prinzip des demokratischen Konföderalismus ist
die gewaltfreie Lösung gesellschaftlicher Probleme. Er beruht
auf einer Politik des Friedens. Gegenüber Angriffen auf das
Land, das Volk und die Freiheit sowie bei eklatanten Rechtsverletzungen
beruft er sich auf sein legitimes Recht auf Selbstverteidigung.
Der demokratische Konföderalismus ist eine Bewegung zum Aufbau
eines authentischen demokratischen Gesellschaftssystems des kurdischen
Volkes. Innergesellschaftlich definiert er einen demokratischen
Nationenbegriff, nach Außen strebt er die Schaffung transnationaler
Strukturen an. Gestützt auf die politische, soziale, ökonomische,
kulturelle, religiöse, konfessionelle, ethnische und Geschlechterfreiheit
der Gesellschaft sorgt er für die Einheit der verschiedenen
Organisationen im ökologisch-kommunalen Bereich und organisiert
zugleich die Selbstverwaltung als Ausdruck der organisierten Gesellschaft.
In diesem Sinne rufe ich alle Schichten der Gesellschaft, allen
voran die Frauen und die Jugend, dazu auf, ihre eigenständige
demokratische Organisierung zu schaffen, ihre demokratischen Aktivitäten
zu verstärken und selbstverwaltete Strukturen aufzubauen.
Der demokratische Konföderalismus ist zugleich der Ausdruck
für die demokratische Einheit des kurdischen Volkes, das über
vier Staaten verteilt und über die ganze Welt verstreut lebt.
Bei der Lösung der internen Probleme der kurdischen Nation
vertritt er das Prinzip der demokratischen Einheit. Er betrachtet
die nationalistische Tendenz zur Staatsgründung als eine Fortsetzung
eines überholten Nationalstaatsverständnisses. Weil dies
für die Lösung der kurdischen Frage und die Weiterentwicklung
der kurdischen Gesellschaft unzureichend ist, rufe ich die betreffenden
kurdischen Kräfte dazu auf, sich für eine Demokratisierung
zu öffnen und sich auf der Grundlage der demokratischen nationalen
Einheit an der Konföderation zu beteiligen.
Da der demokratische Konföderalismus eine demokratische Mentalität
und Ausdruck eines Freiheitsbewusstseins ist, macht er keinerlei
Unterscheidung zwischen den Völkern und setzt sich für
die gleichberechtigte freie Einheit aller Völker ein. Statt
eines etatistischen Nationalismus, der sich auf starren Grenzen
basiert, strebt er die Schaffung einer demokratischen Nation an.
Daher ist er Grundlage für die Einheit aller Völker des
Mittleren Ostens und der demokratischen Kräfte. Er verfolgt
in den Beziehungen zu den Nachbarstaaten das Prinzip der Einheit
in Freiheit und Gleichheit, in der die politischen, sozialen und
kulturellen Rechte gewahrt sind. In diesem Sinne rufe ich erneut
die Völker der Region zur demokratischen und konföderalen
Einheit und die Nachbarstaaten zu einer demokratischen Haltung auf.
Der demokratische Konföderalismus steht für die globale
Demokratie der Völker und im Gegensatz zum globalen Imperialismus.
Er ist ein System, das sich im 21. Jahrhundert allen Völkern
anbietet. Zugleich zeichnet sich eine allgemeine Tendenz zu demokratischen
und konföderalen Strukturen im globalen Maßstab ab. In
diesem Sinne rufe ich die gesamte demokratische Menschheit dazu
auf, unter dem Dach des globalen demokratischen Konföderalismus
eine neue Welt zu erschaffen.
Ich denke, dass wir mit der Gründung von KOMA KOMALÊN
KURDISTAN, als Ausdruck der demokratischen konföderalen Organisation
und Einheit des kurdischen Volkes, unser Volk um eine neue Lebensphilosophie
bereichert haben. Deshalb bin stolz darauf, an dieser Gründung
beteiligt zu sein. Ich rufe unser gesamtes Volk dazu auf, unter
der grünen Flagge mit gelber Sonne und rotem Stern seine authentische
Demokratie zu organisieren, sich zu einen und selbst zu verwalten.
Ich erkläre hiermit, dass ich diese Flagge mit Stolz tragen
und meinen Aufgaben auch weiterhin nachkommen werde. In diesem Frühling,
der näher an der Freiheit ist als alle bisherigen Frühlinge,
gratuliere ich unserem Volk, den Völkern der Region und allen
Freundinnen und Freunden zum Newrozfest.
Hochachtungsvoll
Abdullah Öcalan
Gründer KOMA KOMALÊN KURDISTAN
20. März 2005"
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