Internationale Initiative
Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan
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Köln, 21. Mai 2005
INTERNATIONAL INITIATIVE BRIEFINGS:
Wider aller Vernunft - Türkei spielt
im Fall Öcalan auf Zeit
von Cemal Ucar
Die Türkei hat in der Vergangenheit hat immer wieder auf Zeit
gespielt, wenn sie aufgrund juristischer Urteile in Bedrängnis
geraten war. Dennoch gelang es ihr nicht, sich dem Urteil Justicias
zu entziehen. Immer wieder wirkte es sich für die Türkei
verheerend aus, wenn sich die türkische Politik in das Recht
einmischte und dessen Ergebnisse auf internationaler Bühne
auf den Prüfstand kamen. Gleiches scheint auch im Fall des
Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
(EuGMR) vom 12. Mai 2005 zu sein, welcher der Beschwerde Abdullah
Öcalans in wesentlichen Punkten stattgab.
So hinterfragt zum Beispiel in der Türkei niemand das folgenreiche
Verhalten der ehemaligen DSP-ANAP-MHP-Regierung, welche die Umsetzung
des Urteils des EuGMR im Fall der Zypriotin Loizidou über Gebühr
hinauszögerte. Die Türkei, die sich nicht mit der Entschädigungszahlung
von 320.000 zypriotischen Pfund abfinden konnte, was zum damaligen
Zeitpunkt 500.000 US-Dollar ausmachte, musste schlussendlich doch
noch nachgeben. Mit dem Ergebnis, dass der ständige Vertreter
der Türkei im Europarat, Numan Hazar, dem damaligen Generalsekretär
des Europarats, Dr. Walter Schwimmer, einen Scheck über 1.5
Millionen US-Dollar kleinlaut übergab. Nur auf diese Weise
konnte ein drohendes Einfrieren der Mitgliedschaft verhindert werden.
Nun versucht die Türkei gegenüber dem Öcalanurteil
des EuGMR in gleicher Weise zu verfahren. Auch auf die Gefahr hin,
einen hohen Preis dafür zu zahlen. Wenn auch das Urteil des
Gerichtshofs zweideutig erscheinen mag, ist es dennoch klar und
verbindlich. Öcalan wurde in der Türkei nicht von einem
unabhängigen und unparteiischen Gericht verurteilt, weshalb
er auch kein faires Verfahren erfahren hat. Aus diesem Grund empfiehlt
der EuGMR eine Wiederaufnahme des Verfahrens.
Einerseits wird mit dem nun endgültigen Urteil das vorangegangene
Urteil vom 12. März 2003 bestätigt, andererseits besticht
es durch seine relative Zweideutigkeit, was irreführenden Interpretationen
den Weg ebnet.
Obwohl ich bei der Urteilsverkündung anwesend war und auch
die Gelegenheit fand, im Anschluss mit anwesenden Juristen über
den Urteilsspruch zu diskutieren, kann ich dennoch nicht behaupten,
dass ich das Urteil in letzter Konsequenz verstanden hatte. Tröstlich
war jedoch, dass ich dieses Dilemma mit den genannten Juristen teilte.
Aus diesem Grund setzte ich mich gestern mit den zuständigen
Verantwortlichen beim EUGMR telefonisch in Verbindung, um nachzufragen,
wie denn nun der Beschluss zu deuten sei. Ich fragte offen, warum
das Gericht einen Beschluss gefällt hat, der geradezu zu irreführenden
Interpretationen einlädt. Weiterhin fragte ich, wie nun das
weitere Prozedere von statten gehen würde und ob wirklich auf
eine Wiederaufnahme gedrängt würde. Die Antwort fiel deutlich
klar aus:
1. Die Beschlüsse des EuGMR sind verbindlich, auch wenn dies
von einigen immer wieder bestritten wird. In Art. 46 der Europäischen
Menschenrechtskonvention ist verankert, dass die Urteile des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte für die Unterzeichner
der Konvention verbindlich sind.
2. Das jetzige Urteil ähnelt keinem vorangegangen Urteil des
Gerichtshofs in Fällen einer Verletzung des Art. 6 der Europäischen
Menschenrechtskonvention, da eine Wiederaufnahme des Verfahrens
explizit empfohlen wird. Demzufolge ist der jüngste Beschluss
ein Präzedenzfall.
3. Zwar sehen die Straßburger Richter eine Wiederaufnahme
des Verfahrens als das am besten geeignete Mittel zur Behebung des
beanstandeten Missstandes an. Die Kontrolle über den letztendlichen
Vollzug des Urteils wird aber, aufgrund der Bedeutung und der Brisanz
des Falles, dem Ministerrat des Europarates überantwortet.
4. Dieser werde, als politisches Organ, über die Methode der
Umsetzung beraten, nach dem die Sichtweise der türkischen Regierung
gehört wurde.
Anders ausgedrückt: Der EuGMR hat ein "politisch motiviertes"
Urteil gefällt, das gleichzeitig die Grenzen des EuGMR aufzeigt.
Zusammengefasst: Die große Kammer des EuGMR hat erstmals ein
derartiges Urteil gefällt. Auch um der Verletzung von Rechten
eines Individuums besser vorbeugen bzw. um vorhandenes Unrecht besser
beseitigen zu können. Aus diesem Grund ist es wahrscheinlich,
dass der Ministerrat der Empfehlung des EuGMR folgen wird. Die Erwartungen
der EU scheinen auch in die dieselbe Richtung zu gehen. EU-Erweiterungskommissar
Olli Rehn machte derweil deutlich, dass die Türkei, als Mitglied
im Europarat und Beitrittskandidat zur EU, dem Urteil des EuGMR
nachkommen müsse.
Entsprechend des Prozedere überantwortete der EuGMR die Verantwortung
für die Umsetzung des Urteils dem Ministerrat. Dieser wird
zwischen dem 5. und 6. Juni 2005 bei seiner 933. Versammlung, aller
Voraussicht nach über den Fall beraten, nach dem die anwesende
türkische Delegation gehört wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt
werden die Öcalananwälte das Ihrige tun. Ob die AKP-Regierung
will oder nicht, sie wird nicht um eine Lösung des Falles umhinkommen.
Der Artikel erschien unter dem Originaltitel Son Söz
Bakanlar Komitesinde Das letzte Wort hat der Ministerrat
in der pro-kurdischen Tageszeitung Özgür Politika vom
19. Mai 2005. Übersetzung: Internationale Initiative.
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