Aufruf

Internationale Initiative Freiheit für Abdullah Öcalan – Frieden in Kurdistan

Gegen internationales Recht verstoßend hat ein staatlich gelenktes Bündnis von Geheimdiensten den Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans, Abdullah Öcalan, illegal in die Hände ausgerechnet des Staates überführt, der am allerwenigsten ein rechtsstaatliches Verfahren garantieren kann.

Entgegen dem Entscheid der italienischen Justiz und den Aufrufen und Appellen internationaler Menschenrechtsorganisationen, die sich anläßlich der Ankunft von Herrn Öcalan in Rom geschlossen gegen dessen Auslieferung an die Türkei aussprachen, wurde er schließlich unter Zwang entführt und in die Gewalt des Staates übergeben, dessen Rekord an Folterungen und Menschenrechtsverletzungen international an der Spitze steht.

Der Kurdenführer wurde den Militärs und den Politikern der Türkei übergeben, die für den Krieg in den kurdischen Gebieten und dessen Folgen verantwortlich sind: für die Vernichtung von 4000 kurdischen Dörfern, für die unzähligen Toten und die über 3 Millionen Vertriebenen und Flüchtlinge,- Folgen, die sich zu einem Genozid ausweiten können.

Ungerechter kann kein justitieller Akt sein als jener, bei dem in Verkehrung jeglichen Rechts die Täter als Richter über die Opfer als Verbrecher befinden.

Vor dem türkischen Gericht ist kein "fair trial" denkbar. Nicht nur die bisherige totale Isolationshaft Abdullah Öcalans, seine 24-stündige Videoüberwachung, die entwürdigende Ausstrahlung ausgesuchter Filmaufnahmen in den Medien und die anhaltende massive Behinderung anwaltlicher Tätigkeit belegen dies. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Straßburg) hat dem Staatssicherheitsgericht der Türkischen Republik bescheinigt, gegen den Artikel 6 der Europäischen Men-schenrechtskonvention zu verstoßen: "Die erforderliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter wird verletzt durch den Status der bei diesen Gerichten tätigen Militärrichter." (Urteil 09.06.1998)

Wir befürchten, daß das Urteil gegen Abdullah Öcalan längst gefällt ist und ihm nur noch ein kurzer Schauprozeß gemacht werden wird. An die Stelle der Beweisaufnahme tritt die Verlesung der Urteils, das auf Todesstrafe lauten dürfte, und wahrscheinlich sofort vollstreckt werden soll.

Die Europäischen Regierungen haben bisher vollständig versagt, zur Beendigung des Krieges in der Türkei und zur Lösung der kurdischen Frage eine konstruktive Initiative zu ergreifen. Während sie alle diplomatischen Hebel in Bewegung gesetzt haben, um den Palästinensern in Madrid, den Bosniern in Dayton und den Kosovo-Albanern in Rambouillet eine politische und friedliche Lösung ihrer Konflikte zu ermöglichen, warten wir seit 15 Jahren vergeblich auf eine ähnliche Initiative für die Kurden.

Die momentane, angespannte Situation beinhaltet jedoch immer noch eine Chance: Der Kurdenführer Abdullah Öcalan muß als Schlüsselperson in der anzustrebenden politischen Lösung des Krieges um Kurdistan angesehen und demgemäß behandelt werden. Die Sicherheit und Unversehrtheit Abdullah Öcalans, seine Freiheit, ist eine Prüfung für die Türkei, die hier beweisen muß, daß sie als EU-Anwärter die europäischen, demokratisch-rechtsstaatlichen Werte anerkennt und berücksichtigt.

Wir appellieren an die internationale Staatengemeinschaft und ihre Institutionen:

  • eine internationale Beobachterdelegation in Begleitung einer unabhängigen Ärztedelegation zu entsenden
  • ein rechtsstaatliches Verfahren für Abdullah Öcalan vor einem internationalen Gerichtshof zu ermöglichen; für die Dauer seines Aufenthaltes in der Türkei müssen die menschenrechtlichen Standards gewährleistet werden
  • sich unverzüglich einzusetzen für die Beendigung des Krieges, für die Beseitigung der Konfliktursachen und die Einberufung einer Internationalen Kurdistankonferenz
  • Die Türkei muß sofort ihre militärischen Operationen in den kurdischen Gebieten einstellen, und mit der kurdischen Seite in Dialog treten